Dienstag, 22. Dezember 2015

Das Gut-Mensch-Experiment: Ngana & Klaus & der Weihnachtsmarkt (Teil 1)

Da stand ich nun und hatte mir mein eigenes Grab geschaufelt. Ich hatte auch noch den Spaten dafür geliefert. Einen schönen Spaten, der viel Erde wegschaufelt und nicht so einen kleinen Klappspaten für das Radieschenbeet.
Ich hatte Ngana & Klaus zugesagt, ihnen bei der Organisation ihres Weihnachtsmarktes zu helfen und ich hatte sie dazu ermutigt ein Straßenfest daraus zu machen. Vielleicht sei an dieser Stelle erwähnt, dass unsere Straße gut 800 Meter lang ist.
Alles in allem wäre das gar nicht so schlimm gewesen, hätte es nicht ein paar unvorhersehbare Ereignisse gegeben.
Zwei Tage nachdem ich den beiden zugesagt hatte, eröffnete mir mein Arbeitgeber, dass ich den kompletten November neue Mitarbeiter an unserem neuen Standort (300km entfernt) schulen dürfe. Ähm ... nun ja. Wie sag ich's meinem Kinde?
Kurz darauf traf ich mich mit Ngana & Klaus und einem weiteren Eingeweihten. Ich schilderte ihnen die Situation und sie schauten mich mit großen Augen an, als würde ich Tok Pisin sprechen. Ihr Blick war in etwa derselbe, als hätte ich meiner dreijährigen Tochter etwas über die Quantenphysik erzählt. (Auch wenn ich davon keine Ahnung habe.)
Stille, umherwandernde Blicke und Stirngerunzel hingen in der Luft.
"Du hilfst nicht?", fragte Ngana schließlich mit wehleidiger Miene. Wie immer, stand er. Hatte ich ihn schon jemals sitzen gesehen?
Ich schluckte und überlegte sehr lange. "Doch, doch ... wo ich kann, werde ich helfen. Ich kenne ja nun einige hier in der Straße und da wird euch sicher der ein oder andere unterstützen."
Was sollte ich auch anderes sagen? Gedanklich kramte ich schon im hintersten Hinterstübchen, wen ich alles einspannen könnte.
Was galt es alles zu beachten? Zunächst die Behörden. Für das angepeilte Datum musste die Straße zum Teil gesperrt werden. Ging das so kurzfristig überhaupt? Wer wäre da Ansprechpartner?
Die Buden oder Stände. Wo bekam man so etwas her? Und natürlich, die Leute. Sie waren der Knackpunkt. Den Standort hätte man zur Not auf die Gärten und Hinterhöfe verteilen können, für die Stände hätten auch Bierzeltgarnituren genügt. Aber ohne die entsprechende Hilfe einer gewissen Anzahl an Personen ging es nicht.
"Ich gebe euch morgen Bescheid, mit wem wir rechnen können", sagte ich etwas unsicher und diese Unsicherheit spiegelte sich in den Gesichtern von Ngana & Klaus und dem Eingeweihten wider.
Auf dem Heimweg wischte ich wie wild über das Display meines Smartphones und suchte die Kontakte heraus, die mir im letzten dreiviertel Jahr wirklich hilfreich gewesen waren. Diejenigen, die nicht nur meine Hilfe in Anspruch genommen, sondern sich auch revanchiert hatten oder dies zumindest tun wollten. Frau Holle, der Cafébesitzer und der Griesgram waren freilich nicht dabei, doch es gab mittlerweile eine Handvoll Nachbarn, denen ich durchaus zutraute, dass sie bei diesem Vorhaben mit von der Partie wären.
Eine Weile telefonierte ich herum und tatsächlich sagten vier Nachbarn zu. Darunter auch die Frau vom Griesgram, die aufgrund ihrer ausgeprägten Affinität zu Klatsch und Tratsch wahrlich viele Kontakte in der Nachbarschaft hatte. Sie kannte sogar einen, der beim Straßenbauamt arbeitet und der wiederum genügend Vitamin B besäße, einen Teil der Straße für das Fest sperren zu lassen.
Dazu musste es allerdings nicht kommen, denn meine direkten Nachbarn (Besitzer und Betreiber einer Yogaschule im eigenen Haus) stellten besagte Räumlichkeiten plus Garten zur Verfügung. Unser Vermieter beteiligte sich ebenfalls mit seinem Garten.
Um eine runde Sache daraus zu machen, ging ich zu unseren anderen Nachbarn, die in ihren (üppigen) vier Wänden eine Pension betreiben. Ich wusste nicht so recht, was dabei herauskommen würde, denn sie waren schon immer schwer einschätzbar. Niemals unfreundlich, aber ab und zu hatte ich schon das Gefühl, dass sie einen gerne auch mal absichtlich ignorieren. Vielleicht ist das aber auch Einbildung und sie bekamen mich tatsächlich nicht mit. Sind auch nicht mehr die Jüngsten.
So stand ich also im Eingangsbereich, hatte den Klingelknopf bereits getätigt (er blieb nicht stecken) und wartete.
Die Tür wurde von der Tochter geöffnet, bei der ich auch nie so recht weiß, ob die dort nun wohnt oder nicht. Mit abschätzigem Blick musterte sie mich. "Ja?"
Ich erklärte ihr unser Vorhaben und ihre Miene wurde noch skeptischer. Dennoch ging sie hinein um ihren Vater oder ihre Mutter zu holen. Sie kamen beide. Er: Klein, schmal, Halbglatze und weißes kurzes Bärtchen. Sie: Klein, schmal, weißes kurzes Haar, eine Riesenbrille und einen Teint, wie  Raufasertapete. Ihre Blicke nicht weniger skeptisch, als der ihrer Tochter.
"Wann soll denn das ganze stattfinden?", wollte er wissen.
Ich nannte das Datum.
"Hm ...", machte er.
"Hm ...", machte sie.
"Und was genau erwarten Sie von uns?", fragte sie.
"Wir haben schon unseren Garten und den von Familie X. Vielleicht möchten sie sich beteiligen?"
Ein gemeinschaftliches "Hm ..." verließ ihre Münder.
"Und wann, sagten Sie, findet das statt?"
Ich nannte nochmals das Datum.
"Das ...", setzte er an, blickte zu seiner Frau und wieder zurück zu mir, "... ließe sich sicher einrichten. Benötigen Sie noch Möbel?"
Auf so eine schnelle und vor allem positive Reaktion war ich nicht gefasst.
"Wenn Sie so fragen ... ja, ein paar Bierzeltgarnituren oder etwas Ähnliches könnten wir schon noch gebrauchen."
Er nickte. "Haben wir zu Genüge ..."
Das wusste ich noch von den sommerlichen Gartenfeiern. Seine Garage schien sowieso einen unendlichen Stauraum zu haben. Jedes Mal, wenn sie offen stand, konnte ich etwas anderes darin entdecken. Von der Schwalbe über einen alten Moskwitsch bis hin zu einem Boot.
Letztendlich hatten wir nun also eine ausreichend große Fläche zur Verfügung. Innen wie außen.
Ein paar Möbel hatten wir auch schon. Ich rief Ngana an, der sehr erfeut war.
Nun stand der Durchführung eigentlich nichts mehr im Wege und ich konnte mich beruhigt auf die Dienstreise begeben. Oder doch nicht?


Fortsetzung folgt ...



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